Am 27. März 2011 finden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Landtagswahlen statt. Dementsprechend läuft der Wahlkampf auch schon auf Hochtouren. Hierbei versucht jede Partei, wie bei jedem Wahlkampf, die Aufmerksamkeit der Bürger auf sich zu ziehen. Wie die einzelnen Parteien jedoch wahrgenommen werden, wird sehr stark durch die Wahlplakate bestimmt.
Wahlplakate im Neuromarkting-Test: Was sind die unbewussten Werbebotschaften - ThinkNeuro!

Abbildung: Wahlplakate im Neuromarkting-Test: Was sind die unbewussten Werbebotschaften? (Quelle: Neuroanker)

Diese schmücken derzeit unsere Straßen und werden, wenn nicht bewusst, zumindest auf unbewusster (impliziter) Ebene wahrgenommen. Dies zu wissen, ist vor allem bei der Gestaltung von Wahlplakaten von großer Bedeutung. Die Kommunikation wirkt nämlich überwiegend unbewusst! Dementsprechend kann der Fall eintreten, dass ein Plakat auf expliziter Ebene eine ganz andere Botschaft aussendet als auf impliziter Ebene.

Aus gegebenen Anlass hat die Bremer Agentur „red pepper“ die Wahlplakate der CDU, SPD, FDP, Grünen und Linken auf ihre unbewusste (implizite) Werbewirkung zum Thema „Bildung“ analysiert. Hierzu wurde erstmals ein auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen basierendes Analyse-Tool verwendet. Mit diesem sollten Antworten auf folgende Fragen erfasst werden:

  • „Welche impliziten Botschaften senden die Wahlplakate aus?“
  • „Welche unbewussten Motive und Emotionen werden bei den potentiellen Wählern angesprochen?“

Ergebnis der Wahlplakat-Analyse von „red pepper“:

Die Analyse der Befragungsergebnisse zeigt, dass die Botschaften der Parteien auf der expliziten Ebene eine große Ähnlichkeit aufweisen, auf der impliziten Ebene vom Wähler aber sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Das red pepper-Verfahren hat exakt diese impliziten Wahrnehmungen unter die Lupe genommen und analysiert, welche Motiv- und Emotionsräume von den Wahlplakaten angesprochen werden. Die Relevanz der Inhalte dieses unbewussten Systems könnte eine nahezu ebenso wichtige Rolle spielen wie die explizite Wahlentscheidung. Für die politischen Parteien reicht es also nicht aus, nur darauf zu achten, was sie aussagen. Ein sehr wichtiger Teil unseres Gehirns interessiert sich viel mehr dafür, wie diese Inhalte kommuniziert werden.

Bei den Wahlplakaten zur Bildung für die Landtagswahl in Baden-Württemberg fällt kommunikativ besonders die Wahlkampagne der Partei “Die Grünen” auf. Obwohl sie sich im Design (modern, collagenhaft, flippig) scheinbar explizit an eine klar umrissene Zielgruppe (die “typischen” Grünen-Wähler, d.h. jünger, alternativer, lässiger) wendet, senden die Wahlplakate implizit Botschaften aus, die in ihrer Motiv-Breite alle anderen Parteien bei weitem übertrifft. Nahezu alle Bereiche, welche den Wähler implizit interessieren, werden von den Grünen bedient. Es kann die Behauptung aufgestellt werden, dass die Grünen – ob sie wollen oder nicht – zu einer Volkspartei werden, während die frühere Volkspartei CDU sich auf impliziter Ebene radikal auf die Ansprache ihrer Kernzielgruppe zurückgezogen hat.

Dies ist dann auch die zweite Überraschung bei den Studienergebnissen. Nirgendwo ist die Diskrepanz zwischen expliziter Aussage des Wahlplakates und impliziter Wahrnehmung größer als bei der CDU. So versuchen die Christdemokraten durch die Abbildung eines dunkelhäutigen Kindes die Idee von Offenheit und Integration zu vermitteln und sprechen auch textlich eine sehr umgängliche, eigentlich sympathische Sprache. Doch die ganze Mühe lohnt nicht, denn auf der impliziten Ebene werden knallhart Disziplin, Fleiß, Technik und Ordnung mit dem CDU-Motiv verbunden. Ihre Kernzielgruppe erreicht die CDU auf der impliziten Ebene damit optimal – doch Wechselwähler lassen sich mit diesen Signalen ganz gewiss kaum gewinnen.“

Bei den Wahlplakaten zur Bildung für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz fällt kommunikativ besonders die Diskrepanz zwischen den beiden großen Parteien – CDU und SPD – auf. Explizit mag der häufig geäußerte Vorwurf, dass sich die beiden Parteien kaum noch unterscheiden, stimmen. Implizit jedoch sendet die rheinland-pfälzische CDU vollkommen andere Signale aus als ihr Konkurrent, die SPD.

Während die Christdemokraten durch Design, Textwahl, Typographie und Tonalität ihre “alten” Werte auf impliziter Ebene – ob gewollt oder, wie zu vermuten ist, eher ungewollt – aufleben lässt, vermag es die SPD, die moderne Mitte anzusprechen. Und so werden mit dem Auftritt der CDU nur die bekannten konservativen Parteiwerte Disziplin, Technik und Fleiß verbunden, während die Sozialdemokraten mit impliziten Attributen wie Stimulanz, Neugier, Spaß und Genuss die WählerInnen emotional weit stärker erreicht. Ein Vorteil, der – allen explizit wahrnehmbaren Schwächen zum Trotz – durchaus einen Unterschied an der Wahlurne machen kann.”

via W&V und Neuroanker




 
 

Über die Autorin

Autorin von ThinkNeuro! ist Olivia Shepherd. Innerhalb ihres Blogs beschäftigt sie sich mit nahezu allen Facetten des Neuromarketings, der Usability sowie der User Experience. Derzeit ist sie als Usability & UX Consultant bei einer Online-Agentur tätig.